Auf ein Wort

April 17, 2008

Holger HerrmannAlles wird besser, aber nichts wird gut? Sicherlich gibt es an der Entwicklung unserer schönen Stadt immer etwas zu nörgeln. Mir fehlen zum Beispiel die alten Springbrunnen in Lankow. Oder der Hinterhof der Reiferbahn 6, wo ich mit interessanten Leuten als Teenager zusammenkam. An beiden Orten stehen jetzt Einkaufszentren und ich muss damit leben. Und natürlich verstehe ich meinen Nachbarn, wenn er sich aufregt, weil einige Mitarbeiter im Stadthaus immer noch nicht vom Königsstuhl runter sind und den einen oder anderen Bürger dumm dastehen lassen. Nur weil er ein Anliegen oder eine Idee zum Besten gibt. Die Zornesröte steigt mir ins Gesicht, wenn ich die Armut einiger Kinder in einem Kindergarten im Mueßer Holz sehe, die nicht einmal ein Frühstücksbrot von Zuhause mitbekommen – geschweige denn mit sauberen Sachen erscheinen.

Ganz klar, es gibt Dinge in unserer Stadt, die müssen sich ändern. Doch bei dem ganzen Gemeckere sollten wir nicht den Blick für das verlieren, was gut ist und was sich schon geändert hat. Das sagt auch mein Nachbar. Der engagiert sich ehrenamtlich in Vereinen, besucht Sitzungen des Ortsbeirates und wird auch weiterhin Vorschläge für ein noch attraktiveres Schwerin im Stadthaus einreichen. Aber auf seine Stadt lässt er ganz sicher nichts kommen. Hier ist es schön, hier ist viel passiert, hier lebe ich gerne, sagt er.
Und das ist gut so.
Weiter so,
Ihr Holger Herrmann

Alles Käse

April 17, 2008

Kennt Ihr das? Man guckt sich was im Fernsehen an und denkt: Kann ich auch.
Neulich lief mal wieder der olle Reuter in schwarz-weiß, September ´48 in Berlin, der berühmteste Kiekser der Geschichte – und ich wusste sofort: Die Zeit ist wieder reif für sowas.

Ich dann gleich zum Markt, kleines brüchiges Nachkriegspodium aufgebaut, Mikro an und los: „Heute ist der Tag, wo das Volk von Schwerin seine Stimme erhebt! Nörgler der Welt! Ihr Nörgler der Welt! Ihr Nörgler in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien! Schaut auf diese Stadt und erkennt, hier ist das Paradies für Euch! Hier weiß man noch, wer das Volk ist! Wenn Euch hier was nicht passt: Aufstehen, rausrennen! Aufstehen, rausrennen! Stadtsäckel auf und 60.000 Tacken Steuergelder rausblasen für eine Abstimmung, bei der man nicht sagen muss, was zu tun sei oder wer es machen solle, sondern nur, wen man doof findet! Herrlich! Alternativloses In-die-Wüste-schicken für teuer Geld, das man nicht hat! Nörgler der Welt, schaut auf Schwerin! Und Volk von Schwerin, sei dessen gewiss, diesen Kampf, den wollen, diesen Kampf, den werden wir gewinnen!“

Da war was los, sag ich Euch. Die Leute waren Wachs in meinen Händen. Soviel Begeisterung habe ich zuletzt erlebt, als mein großes Idol Roland Koch seine erste Unterschriftennummer abzog. „Wo kann man hier gegen den OB unterschreiben?“ Hessen ist überall!

Ich hab mich dann trotzdem schnell vom Acker gemacht, weil mir unheimlich war, wie schnell ich die Massen in der Hand hatte. Zu Hause dann zur Belohnung zackzack ein Päckchen Scheibletten weggeatmet und wieder vor den Fernseher. Da kriegte ich gleich wieder Blutdruck, denn erst musste ich sehen, dass eine abgelegte Beatles-Schnepfe heutzutage mit 30 Millionen Euro über die Runden kommen muss. Dann fiependes Wehklagen der drallen Verona über den Umstand, dass sie wegen ihres zweiten Mannes eine grauenhafte Sendung verloren hat, die sie übrigens nur wegen ihres ersten Mannes bekommen hatte.
Und zur Krönung auf mehreren Kanälen gleichzeitig irgendwelche Boygroups, von denen ich dachte, dass sie dankenswerter Weise alle tot sind, aber nein: Reloaded! Wisst Ihr, was das Entsetzlichste an denen ist? Dass die in jedem Interview spätestens nach zwei Minuten anfangen, a cappella zu singen, um zu zeigen, was sie eigentlich für Gesangsgranaten sind. Da lauf ich Amok.
Nichts für ungut. Euer Holger Matze Maus